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Am Mo, 07.09.2020
Ab 08:00
2 Bushaltestellen Bambergs
Bild zu Art Bus Stop (08. - 17.09.2020). Copyright: Maria Svidryk © Villa Concordia

Art Bus Stop (08. - 17.09.2020)

ASTA SCHEIB "Sichtbar auch aus der Distanz"

Ort: Bushaltestellen Bamberg Rodelbahn und Ludwigstraße BhfVon August bis Ende Dezember 2020 machen wir Künstler "Sichtbar auch aus der Distanz". Die Plakataktion auf zwei Wänden - am Bhf Bamberg und an der Bushaltestelle Rodelbahn an der Buger Spitze - gibt einen Blick auf die als Preisträgerinnen und Preisträger eingeladenen 13 Bildenden Künstler, Komponisten und Autoren frei, die in diesem Corona-bedingt spät eingeläuteten Stipendiumsaufenthalt im Künstlerhaus zu Gast sind. Begleitet vom Grafikbüro 2xGoldstein aus Karlsruhe wurden die Ideen der 13 umgesetzt und gestaltet. Die Wände werden alle 10 Tage "ihr Gesicht" verändern. Manche Entwürfe korrespondieren miteinander, funktionieren wie Rätsel, manche sind identisch. Hoffentlich lädt jede Gestaltung immer wieder zum Hinschauen ein.

Asta Scheib im Gespräch

1. In den letzten Monaten überwältigte eine Welle der Einsamkeit viele Menschen auf der ganzen Welt. Wie ist es Ihnen in dieser Zeit ergangen?

Vielleicht ist meine Sicht befremdlich - ich fand diese uns aufgezwungene Einsamkeit anfangs sogar befreiend. Endlich allein zu Haus! Auch die Besuche oder Einladungen von Freundinnen habe ich anfangs nicht vermisst. Es wurde halt telefoniert, bis man ermattet den Hörer sinken ließ. Inzwischen wünsche ich mir jedoch wieder Vor-Corona-Zeit.

2. Könnten Sie uns verraten, woran Sie gerade arbeiten?

Ich bin mit meinem ersten Kinderbuch zugange. Der Anlass dazu war mein Roman "Das Schönste, was ich sah" über den Maler Giovanni Segantini. Je länger er in der Welt ist und je öfter ich aus ihm lese, denke ich an das Kind Giovanni Segantini. Seine Kindheit war von einer Grausamkeit, die ich im Roman nur angedeutet habe. Doch inzwischen ist mir Giovanni Segantini so vertraut, dass ich ihm gerecht werden möchte und auch seine Kindheit - hoffentlich in kindgerechter Form - festhalten möchte. Giovanni Segantini war der Tapferste von allen, er hat es verdient, dass ich ihm nochmals ein Denkmal setze - wenn ich es denn fertigbringe...

3. Ihre Werke handeln oft von historischen Figuren, sei es Schriftstellerin Lena Christ, Katharina von Bora, die Ehefrau vom Martin Luther oder der Maler Giovanni Segantini. Könnten Sie uns erzählen, woraus Ihr Interesse an Historizität gewachsen ist?

Ich hatte und habe bei allen diesen berühmten Menschen - vor allem den Vergessenen - den Eindruck, dass unser Wissen über sie doch eher klischeehaft und nicht sorgfältig recherchiert war. Vor allem war das der Fall bei Lena Christ. Ihren Nachlass fand ich in der Monacensia in München und ich war entsetzt und voller Zorn, wie sehr sie verleumdet worden ist. Und - wie ich bei Lesungen in ihrer Heimat feststellen musste - auch heute noch verleumdet wird. Dem wollte ich und will ich mit meinen schwachen Kräften entgegenhalten.

4. Bei Ihrer Veranstaltung am 2. September in der Villa Concordia lasen Sie aus Ihrem Roman "Das Schönste, was ich sah" über den Maler Giovanni Segantini. Warum fiel die Auswahl auf genau diesen Text?

Vielleicht haben Sie es schon gespürt - ich liebe diesen Maler. Bei seiner Familie in Maloja habe ich - bei einigen Einladungen - erfahren, dass sie mein Buch und damit auch mich sehr lieben und dankbar sind. Ich werde immer noch dort eingeladen, ich glaube, die Liebe höret nimmer auf.

5. Steckt im Werk einer Autorin Autobiographisches, auch wenn mit Vorliebe geschichtliche Sujets und Schicksale der Vergangenheit verhandelt werden?

Das kann ich vielleicht selbst nicht so richtig beurteilen. Aber wahrscheinlich ist es so, dass mich eine Person der Zeitgeschichte, über die ich nichts weiß oder nur wenig - dass die mich vom Beginn der Recherche an sozusagen ergreifen muss, dass ich mich mit ihr auf irgendeiner Ebene verwandt fühle.

6. Vom 8. - 17. September sind an den Bushaltestellen Rodelbahn und Ludwigstraße Bahnhof in Bamberg Ihre mit 2XGoldstein entworfenen Plakatwände zu sehen. Dem Wort "Freiheit" schenken Sie darauf besonders viel Platz. Fühlen Sie Wort und Inhalt in Gefahr? Was bedroht die Freiheit aus Ihrer Sicht?

In meiner Kindheit - in der Nachkriegs- und Nachnazizeit - wurde ich mit einem Stiefvater konfrontiert, der vermögend war und dadurch dem Krieg entkommen. Er hat meine Schwester und mich nach Nazi-Verständnis erziehen wollen. Also in einem äußerst kruden Verständnis von Freiheit. Freiheit für junge Mädchen? Absurd für sein Verständnis. Dagegen habe ich mich aufgelehnt, auch um den Preis, geschlagen zu werden. Mein Großvater erfuhr davon und er hat meinem Stiefvater gedroht, ihn anzuzeigen. "Du kannst dem Kind doch nicht jede Freiheit nehmen!" Seither weiß ich und erfahre täglich, dass die Freiheit zu den wichtigsten Gütern menschlicher Existenz gehört.

7. Welche Reaktion erwarten Sie von dem Betrachter?

Es wäre schön, wenn die Betrachter vorbehaltlos hinschauen, sich ein wenig Zeit lassen und ihr Urteil erst nach einigem Nachdenken fällen. Das Gespräch führte Maria Svidryk, Volontärin im Künstlerhaus

Fotos: Maria Svidryk © Villa Concordia